Rezension Wolfgang Riewe

Aus: 378872160X
Unsere Kirche, Evangelische Wochenzeitung für Westfalen und Lippe (Herausgeber und Chefredakteur: Wolfgang Riewe), 47/2006

Eine heilsame Provokation

Lebensbilanz  Der Theologe Ulrich Bach wendet sich gegen ein Denken, das er auch in der Kirche heute von Stolz auf Gesundheit und Stärke ebenso wie Diskriminierung Leistungsschwacher geprägt sieht

VON WOLFGANG RIEWE

Die Fenster des Krankenhauszimmers stehen weit offen. Das Quietschen der Straßenbahn hat ihn geweckt. Es erinnert den jungen Mann daran, wie er noch vor kurzem in der Straßenbahn nach der Chorprobe mit seiner Freundin nach Hause fuhr. Doch jetzt liegt er hier drinnen in diesem Sechs-Betten-Zimmer. Die Ärzte hatten bei der Visite ein bedenkliches Gesicht gemacht, als seine Beinmuskeln nicht die geringste Regung zeigten. Ihre Diagnose traf ihn hart: Kinderlähmung. „Werde ich  je wieder zu denen da draußen gehören?“, schoss es ihm durch den Kopf.

Damals  spürte der 21-jährige  Theologiestudent Ulrich Bach erstmals den scharfen Riss, der die Kranken von den Gesunden trennt. Später machte er es immer wieder zum Thema, dass behinderte Menschen im Denken von Kirche und Gesellschaft so gut wie nicht vorkommen. Als Pastor, der selbst im Rollstuhl sitzen musste, setzte er sich mit aller Entschiedenheit dafür ein, die Kluft zwischen Behinderten und Nichtbehinderten zu überwinden. „Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz“ – lautet der Titel eines neu erschienenen Buches, in dem Ulrich Bach mehr als 50 Jahre später Kirche und Gesellschaft unangenehme Wahrheiten ins Stammbuch schreibt.

In seiner über 500 Seiten umfassenden Lebensbilanz fragt der heute 75-Jährige: „Wie reden wir in der Kirche eigentlich von Gott?“ Seine Kritik: „Die Stärke gilt so sehr als Kennzeichen von Gott, dass alle Schwachheit – etwa die Schwachheit behinderter Menschen – als Ausnahme gleichsam gegen die Spielregeln verstößt.“ Gesundheit und Stärke werden seiner Ansicht nach häufig dem in Jesus Christus sich offenbarenden, liebenden Gott zugeordnet, Krankheit und Behinderung dagegen dem verborgenen Gott. Ständig werde von Christus als dem großen Helfer gesprochen, seine Schwachheit auf dem Weg zum Kreuz dagegen unterschlagen. „Sich helfen zu lassen, ist aber genauso ‚göttlich’, wie anderen zu helfen“, betont er. Und er nennt es „Sozialrassismus“ oder sogar „Apartheids-Denken“, wenn nur derjenige Anerkennung findet, der etwas leisten kann.

Starker Tobak. Ulrich Bach will mit diesen krassen Worten aber niemanden kränken, sondern einen „heilsamen Schmerz“ erzeugen. Warum? Damit Kirche und Theologie die Situation behinderter Gemeindeglieder endlich umfassend zur Kenntnis nehmen. Seine zentrale These lautet: Ob ein Mensch Mann ist oder Frau, blind oder sehend, dynamisch aktiv oder pflegeabhängig – von Gott her ist das ohne Bedeutung. Die Gemeinde als „Leib Christi“ muss, so Bach, eine „Gegenwirklichkeit zum Apartheid-Denken“ bilden. Sie ist eine Gruppe sehr unterschiedlicher, aber völlig gleichwertiger Menschen.

„Bausteine einer Theologie nach Hadamar“ lautet der Untertitel dieses tiefgründigen Werkes, das stark durch die Biografie Bachs geprägt ist. In Hadamar, nördlich von Limburg, wurden 1941 über 10 000 behinderte oder psychisch kranke Menschen im Rahmen des Euthanasie-Programms ermordet.  Wie Auschwitz für den Holocaust ist Hadamar daher zu einem Symbolbegriff der Euthanasie geworden. Bach, der lange Jahre Pastor in den Orthopädischen Anstalten Volmarstein war, stellt mit seinem Buch die aufrüttelnde Frage, ob die heutige Gesellschaft – und auch die Kirche –wirklich mit dem Denken, das Hadamar ermöglichte, gebrochen hat.

Bach, der in Kierspe-Rönsahl (Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg) lebt, kämpft für den Abbau aller spaltenden Strukturen. Behinderte Menschen dürfen keineswegs zu „Objekten“ der helfenden „Subjekte“ werden. Er betont zu Recht den „einen Leib Christi“ und spricht von der Kirche als „Patienten-Kollektiv“. Gemeinsam mit behinderten Menschen das vom Leistungsdenken befreiende Evangelium zu entdecken, auf die Schwächsten zu hören, von ihnen zu lernen, ist Ulrich Bachs Anliegen: „Sind wir unterwegs zu den Menschen in Gefängniszellen und Krankenhäusern, in Selbsthilfe-Gruppen und Behinderten-Anstalten, nicht nur um zu helfen, sondern um hier Theologie zu lernen?“ Eine Frage, die schon Friedrich von Bodelschwingh 1906 im Blick auf die kranken Kinder von Bethel so beantwortete: „Hier sitzen die Professoren, die uns beibringen, was Evangelium und was Gotteskraft ist.“

Auch Ulrich Bach ist ein großer Lehrer für Kirche und Diakonie, dessen bleibendes Vermächtnis in diesem tiefgründigen theologischen Buch noch einmal auf den Punkt gebracht worden ist. Viele werden seine These, dass Stolz auf Gesundheit und Stärke ebenso wie Diskriminierung von Leistungsschwachen auch heute noch das Denken in Gesellschaft und Kirche bestimmen, als Provokation empfinden. Es ist aber wohl eine heilsame Provokation, zu der der Theologe im Rollstuhl herausfordert. „Wie kann sich die Kirche von dem Zeugnis leiten lassen, das Christus durch behinderte Menschen ablegt?“ Diese Frage wartet nach wie vor auf Antwort.

Ulrich Bach: Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz. Bausteine einer Theologie nach Hadamar. Neukirchener Verlag, 512 Seiten, 34,90 E.

Rezension Thomas Feld

Aus: sozialpsychiatrische informationen 1 / 2007
und in Wege zum Menschen 3 / 2007, S. 310f.378872160X

Bach U (2006) Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz. Bausteine einer Theologie nach Hadamar.
Neukirchen-Vluyn: Neukirchner Verlag, 512 S.,
34,90 Euro

»Glaube ist gesund und erhält gesund« – so Hans Georg Wiedemann in den Predigstudien. Und das sollen wir nach Wiedemann aus den Wundergeschichten Jesu lernen: »All ihre Verkrümmungen, ihre Blindheit und Taubheit, ihre Lähmungen und ihr Ausgeschlossensein können aufhören, wenn sie sich zu Gott hin aufrichten lassen.« (Predigstudien IV/2 2005/2006, S. 190) Das ist gut gesagt und leicht geschrieben, steht in einer gängigen Auslegungsgeschichte und kann sich auf aktuelle Studien stürzen, die einen Zusammenhang zwischen gelungener religiöser Sinnfindung und psychosozialer Gesundheit nachweisen. Glaube ist gesund und erhält gesund! Was aber ist mit den unheilbar Blinden und Tauben, den chronisch Kranken, den aufgrund ihrer Behinderung von der Partizipation am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossenen Menschen? Was müssen sie denken, wenn sie solche Sätze lesen oder in einer Predigt hören? Ist mit ihrem Glauben etwas nicht in Ordnung? Gibt es vielleicht zwei Klassen von Christen, die gesunden, denen die volle Gnade Gottes gilt und die kranken, die so ganz nicht mitgemeint sein können, weil sie ja sonst gesund wären?

Ulrich Bach geht in seinem Buch solchen Fragen nach und deckt dabei eine jahrhundertealte Tradition auf, die das Zusammensein von gesunden und behinderten Menschen innerhalb der christlichen Kirchen bestimmt. Es ist eine Tradition der Apartheid, der theologisch untermauerten Trennung zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen, eine Tradition zudem, die bis in die Anfangsgründe christlicher Theologie hinabreicht. Schon Augustin behauptet eine Identität zwischen Behinderung und beschädigter, sündhafter Existenz. Behinderte Menschen werden von ihm mit den von Plinius beschriebenen sonderbaren Wesen und Völkern in Verbindung gebracht, die am Rande der damals bekannten Erde leben. Ihre Existenz leitet Augustin von dem in Genesis 9 verfluchten Sohn Noahs, Ham, ab und kommt zu der diffamierenden Aussage: behinderte stehen den nichtbehinderten Menschen gegenüber wie der einstmals verfluchte Ham seinen gesegneten Brüdern Sem und Japhet. Dieser Gründungsmythos wirkt mit seiner Gleichsetzung von Behinderung und beschädigter Existenz bis heute in der Formulierung verschiedener theologischer Topoi nach: den Auslegungen der Wundergeschichten des Neuen Testaments, der Formulierung der Theodizeefrage, der Gotteslehre, der Ekklesiologie, der Ethik, der Theologie des Kreuzes. Überall wird hier, so weist Bach nach, behinderten Menschen die vollgültige Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft streitig gemacht. Ein tiefer Riss durchzieht die Theologie. Er bestimmt den Umgang zwischen Behinderten und Nichtbehinderten in Gemeinde und Diakonie und  macht die Ermordung behinderter Menschen im Dritten Reich erst möglich. Heute, sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und lange nachdem das Nachdenken über eine Theologie nach Auschwitz begonnen hat, provoziert Bachs Buch dazu, diesen Riss endlich wahrzunehmen, zu diskutieren und Schritte zu seiner Überwindung zu gehen.

Bach geht solche Schritte. Hadamar, der Ort an dem zuerst behinderte Menschen während des Dritten Reichs systematisch ermordet wurden, ist dabei Symbol der tödlichen Folgen der Apartheid und Ausgangspunkt theologisch-diakonischen Nachdenkens, vor dem sich jede weitere Reflexion zu bewähren hat. Das Buch ist mit Herzblut geschrieben. Der Autor selbst hat den tiefen Riss zwischen Behinderten und Nichtbehinderten erfahren. Er erkrankte während der ersten Semester seines Theologiestudiums an Kinderlähmung und ist seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen. Über viele Jahre hat er in der diakonischen Anstalt Volmarstein als Seelsorger gearbeitet. Diese Erfahrungen fließen in sein Buch auf vielfältige Weise ein. Es ist dadurch ein lebendiges, ein reichhaltiges, ein provozierendes Buch. Es enthält Erfahrungsberichte, gibt Vorträge wieder, enthält sorgfältige Textauslegungen, Appelle, theologische Reflexionen.

Es ist ein vielschichtiges, buntes Buch, ein Buch von außerordentlichem Gewicht, dem viele Leser zu wünschen sind. Es ist nur leider sehr umfangreich, voller Wiederholungen und langatmiger Passagen. Ich wünschte mir eine straffende Überarbeitung. Vielleicht verlangt Bachs Buch aber auch die Freiheit zu einer nicht zu sehr an üblichen Diskursgewohnheiten geschulten Lektüre, bei der man dann auch mit den für mich spannendsten, jedoch ganz am Schluss platzierten Kapiteln beginnen kann: Bachs Auslegungen der beiden ersten Kapitel  des Markusevangeliums.

Noch eine Anmerkung: dass Hans Georg Wiedemann, und vielleicht viele Pfarrer mit ihm, so leicht von einer Gleichsetzung von Glaube und Gesundheit sprechen können, hängt  vielleicht auch damit zusammen, dass unter ihren Kanzeln so wenig Taube, Blinde und Gelähmte zu finden sind. Auch dies eine Folge der von Bach beschriebenen Apartheid und ihrer institutionellen Folgen. Das habe ich schließlich in Bachs Buch vermisst: die Kritik an einer Diakonie, die ihren Stolz in der Unterhaltung großer und größter Unternehmen sieht, und sich bis heute schwer tut, die Forderungen der siebziger Jahre nach Auflösung der abgesonderten Lebensbereiche für behinderte Menschen und die Ermöglichung ihrer Partizipation am gesellschaftlichen Leben zu verwirklichen.

Pfr. Thomas Feld
33330 Gütersloh

Rezension Klaus Eberl

Aus: 378872160X
Zeitzeichen 5/2007

Ebenerdig denken

Eine Behinderung ist gute Schöpfung Gottes

Ulrich Bach: Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz.
Neukirchener Verlag, Neukirchen 2006,
512 Seiten, Euro 34,90.

Apartheidsdenken kennzeichnet unsere Kirche und Gesellschaft, ein Riss zwischen Nichtbehinderten und Behinderten, Gesunden und Kranken, Starken und Schwachen.

Ulrich Bach, selbst behindert und ehemaliger Pastor der Volmarsteiner Anstalten, möchte eine Gegenwirklichkeit erkennbar machen. Mit einem Paukenschlag setzen seine biographischen und theologischen Bausteine ein: „Gott will, dass dieses (behinderte) Leben mein Leben ist!“ Damit ist der Takt vorgegeben. Krankheit und Behinderung gehören zur guten (!) Schöpfung. Sie sind keine Panne Gottes, sondern Realitäten innerhalb eines „Patientenkollektivs“, dem alle Menschen angehören. Die Art und Weise, wie heute Leistung und Gesundheit vergötzt werden, ist dagegen ein Zeichen gottfeindlicher Versklavung.

Hadamar, die nationalsozialistische Tötungsmaschinerie zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, wird zum Symbol für eine Euthanasie-Mentalität, die auch nach ‚945 Nährboden für eine Theologie ist, die das Defizitäre aus der Definition des Humanum streicht. Eine Welt, in der Krankheit, Schwäche und Tod ausgeklammert werden, in der jeder und jede zum „Quasi-Gott“ mutiert, kann weder für Menschen mit Behinderungen noch für andere eine Heimat sein. Jede naiv-selbstverständlich gelebte Stärke kann plötzlich zerbrechen. Deshalb geht es Ulrich Bach nicht um eine Sondertheologie, es geht ums Ganze des Glaubens.

Methodisch bewegt sich sein kontextueller Entwurf vom Nachdenken über Menschen mit Behinderungen zum Gespräch mit ihnen und zur Theologie durch sie. So entsteht ein ebenerdiger Diskurs, eine Reflexion ohne Denkbarrieren.

Vehement nimmt Bach gegen das Vorurteil Stellung, Jesus bekämpfe Krankheit und Behinderung als das Böse. Die Exegese der markinischen Heilungsgeschichten zeige, dass zwischen Krankheit und Besessenheit unterschieden werden müsse. Damit werde auch einer vorschnellen Identifizierung von Heil und Heilung der Boden entzogen. Im Blick auf das Reich Gottes sei es völlig egal, ob jemand gesund ist oder nicht.

Nur wenn die dunklen Seiten Gottes zugelassen werden, können Menschen mit Behinderungen ihre Situation als Gabe und Aufgabe annehmen. Die Theodizee-Frage bleibt unbeantwortet. Bach weist darauf hin, dass auch Jesus hilfsbedürftig gewesen sei. Er habe sich auf die Rolle des Opfers fixieren lassen – ein Nichts, ein Verlierer. Dennoch gehe vom Kreuz die befreiende Frohbotschaft aus: Gottes Ja gelte jedem Menschen!

Bei Bach keimt eine Spielart abendländischer Befreiungstheologie auf. Wie Reichtum und Armut einen gesellschaftlichen Riss markieren, so deckt seine „Theologie nach Hadamar“ im Bereich von Behinderung und Krankheit selektierende Tendenzen auf und trägt zu ihrer Überwindung bei. Massiv kritisiert Bach die „Praktische Ethik“ Peter Singers und bioethische Weltanschauungen, die nicht jedem Menschen gleiche Würde und gleiches Lebensrecht zumessen.

Das Alterswerk des inzwischen im bergischen Rönsahl lebenden Theologen und Diakonikers versteht sich nicht als „Vermächtnis“, sondern als ein „ziemlicher Brocken“, der zu einem neuen Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen provozieren will. Welche praktischen Schritte nötig sind, um aus seinen theologischen Bausteinen ein „ebenerdiges“ Lebens- und Glaubensgebäude entstehen zu lassen, bleibt offen. Integrative Bildungsansätze in Kindertagesstätten und Schulen sowie neue Formen gemeinschaftlichen Wohnens und die Auflösung der traditionellen Anstalten könnten Bachs Theologie nach Hadamar konkrete Konturen verleihen. Denn ohne die Schwächsten ist weder die Kirche noch die Gesellschaft, in der wir leben, ganz.

Klaus Eberl

Rezension Rolf Zerfaß

Aus:
Lebendige Seelsorge (Echter Verlag) Würzburg
58. Jahrgang 4/2007, S. 269-271

Ohne die Schwächsten ist die Kirche
nicht ganz
Bausteine einer Theologie nach Hadamar

378872160X

Ulrich Bach
506 Seiten, gebunden
34,90 Euro (D)
Neukirchner Verlag, Neukirchen-Vlluyn 2006

Dieser vielschichtige Band bündelt die Entdeckungen, die der Autor, seit dem 21. Lebensjahr an den Rollstuhl gebunden und seit seiner Ordination als Seelsorger in einer evangelischen Behindertenanstalt tätig, im täglichen Umgang mit geistig und/oder körperlich behinderten Menschen gemacht hat. Dabei geht es ihm aber nicht um eine Didaktik oder Seelsorgetheorie im Umgang mit Behinderten. Es geht ihm vielmehr um die entgegengesetzte Frage, was behinderte Menschen ihrer Kirche zu sagen haben, was Kirche wie Gesellschaft von ihnen über sich selbst lernen können und auch müssen.

Welche verborgenen Abwertungen und Ängste manifestieren sich in unserer Alltagssprache, wenn von ihnen die Rede ist? Wieviel Bevormundung schleicht sich in unsern Umgang mit ihnen ein? Welche „Apartheidsmetastasen“ stecken selbst in den theologischen Denkgebäuden, in denen wir ihnen ihren Platz zuweisen? Sind die Leidensgeschichten in den Mauern unserer ehrwürdigen diakonischen bzw. caritativen Einrichtungen für das „Volk Gottes auf dem Weg“ wirklich nicht der Rede wert? Oder müssen wir uns fragen lassen, ob wir unseren Weg als Gemeinde wie als Kirche viel zu einseitig als „Aufbruch“ denken, gepflastert mit den Begriffen .,Glaubensstärke, Mut, Kraft, Einsatzbereitschaft, Wachstum, Ganzheit“, kurz: als „Weg in Herrlichkeit“. Damit wird wie von selbst der „Kreuzweg“ zur Sache derer, die bei uns nicht mitkommen, für die wir uns deshalb glauben „engagieren“ zu müssen …

Die zwanzig Kapitel dieses Bandes, allesamt im Rollstuhl zu Papier gebracht, zielen darauf, die fatale Kirchenspaltung bewusst zu machen, die solch tatkräftiges Christentum produziert, und sie aus dem Glauben heraus zu überwinden.

„AUF DIE EIGENEN FÜSSE KOMMEN“

Ein erster Teil (Kap. 1- 5) vermittelt einen Eindruck vom mühsamen Lernweg des Autors selbst, erwachsen aus dem Schock einer Polioerkrankung, die ihn lebenslang in den Rollstuhl zwingt, alle seine Lebenspläne durchkreuzt und ihn – genau auf diesem Weg – als Theologe und Seelsorger überhaupt erst „auf die eigenen Füße kommen“ läßt. Sein Credo: „Gott will, dass dieses leben mein Leben ist“ (54-57).

Der Leser wird so einerseits mit der Härte eines solchen Schicksalsschlages konfrontiert, aber auch mit der Widerstandskraft, die sich inmitten all der Einschränkungen aufbauen kann und sich bei Bach nicht zuletzt in seinem ausgeprägten Sinn für die Situationskomik manifestiert, die sich aus unserer, der „Nichtbehinderten“ Hilflosigkeit im Umgang mit Behinderten entwickeln kann (Kap. 1 und 3). Er selbst findet so zu seiner Berufung: Seelsorger und Anwalt behinderter Menschen zu sein. Die einfühlsamen gütigen Umgangsformen eines älteren Anstaltsseelsorgers regen ihn zu einer Haltung respekt- und liebevoller Offenheit im Umgang mit seinen kleinen und großen Leidensgefährten an. Deren Wahrnehmungsmuster und deren Sprache beeindrucken ihn so, dass er sie zu protokollieren beginnt und dass sie aus ihm einen Katecheten mit Bodenhaftung machen, einen Deuter der Stärke der Schwachen und einen beherzten Streiter für ihre Sache und für die Überwindung der geheimen Spaltung im Volk Gottes. Wer ist dort denn schon „gesund“ und wer ist „nicht behindert? (Kap. 2 und 5).

SUBTILE FORMEN DER SELBSTÜBERSCHÄTZUNG

Ein zweiter Teil (Kap. 6-16) beschreibt die geistigen Voraussetzungen der Nazipolitik zur „Beseitigung unwerten Lebens“, die auch in manchen Kreisen der evangelischen Kirche Sympathisanten fand und sich schließlich in der diakonischen Behindertenanstalt Hadamar (Hessen) austoben durfte (Kap. 10). Der Verf. analysiert die Euthanasie-Mentalität seit den zwanziger Jahren und würdigt den mühsamen Weg nach 1945, der im Jahr 1985 endlich zu dem offenen Schuldbekenntnis der Synode der Evangelischen Landeskirchen Rheinland führte. Vor diesem Hintergrund setzt Bach sich sodann mit den Ansprüchen der Bioethik (Kap. 11) und analog dazu mit subtilen Formen der Selbstüberschätzung innerhalb der Theologie besonders in Sachen „Heil und Heilung“ (Kap. 12) auseinander und interpretiert sie als verführerische Tendenzen einer „Herrlichkeitstheologie“ zu Lasten der „Kreuzestheologie“ (Kap. 13).

Eine „Theologie nach Hadamar“ ist für ihn – in Analogie zu einer „Theologie nach Auschwitz“ – zu konzipieren: als eine „kontextuelle Theologie (Kap. 2) bzw. als eine „europäische Gestalt der Befreiungstheologie“ (Kap. 6-8). Sie befreit zu einem neuen Umgang mit Krankheit und Sterben in der Gemeinde (Kap. 9), denn sie befreit von falscher Selbstüberschätzung (Kap. 12) und von der Neigung, „Andere“ zu diskriminieren (Kap. 13), zu einer „ebenerdigen Theologie“, die zum „aufrechten Gang an zwei Gehstöcken“ ermutigt. Eine Gemeinde wird dann zum Ort, an dem die Mängel der Stärksten und die Gaben der Schwächsten „aufgehoben“ sind (Kap. 14). Auch in der Theologie werden wir mit einigen Traditionen brechen müssen. besonders im Blick auf die traditionelle Auslegung der biblischen Heilungsgeschichten. Auch unsere Beziehungen zu den Juden werden sich ändern, wenn wir lernen, uns mit deren Augen, in deren Perspektive zu sehen (Kap. 15). Insgesamt geht es also um die Umkehr zu einer „Diakonie ohne Hochmut, ohne Herablassung und ohne religiösen Mehrwert“ (Kap. 16).

HEILUNG

Der dritte Teil der Beiträge (Kap 11-20) greift das heikle Thema „Heilung“ nochmals in Gestalt einer Bibelarbeit zu Mk 1,21-2.12 auf – unter der kritischen Fragestellung, was die „Heilungsgeschichten“ uns verheißen und wozu sie uns verführen können. Dieses älteste Evangelium unterscheidet offensichtlich zwischen der Verkündigung Jesu vom Anbruch der Gottesherrschaft (zu der die Austreibung der Dämonen untrennbar gehört) und den Heilungswundem. in denen sich die Gottesherrschaft manifestieren kann, die Jesus aber schroff verweigert, wo sie die Gottesherrschaft ins Zwielicht rücken würden. Jesus hat Kranke geheilt, aber er ist nicht zum Heilen „gekommen“. Gottes Heil ist auch ohne des Menschen Heilung „ganzes Heil“ (442). Nach Joachim Gnilka „bemißt sich der Offenbarungswert der Wunder Jesu als ein im Kreuz gebrochener. Macht des Wundertäters und Ohnmacht des Gekreuzigten stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander, das nicht aufgelöst werden kann“ (415). Die Heilungsgeschichten sind insoweit in Gefahr, eine innerkirchliche „Apartheidstheologie“ zu befördern (wie 281-94, 321-30, 349-60 bereits demonstrieren). Aber „Gottes Heil kommt nicht mit Glanz und Gloria; es ereignet sich da, wo Jesus am Kreuz stirbt […] Gesundheit ist da, wo Gott herrscht nicht besser, Behinderung ist nicht schlechter […] Ihr seid allzumal einer in Christus (Gal 3,28)“ (440). Für Bach bietet das Ringen Jesu in Gethsemane die Vorlage zum Gebet von Kranken, wie von Behinderten und ihren Angehörigen; denn es lässt ihnen Raum für das Nein, die Klage und für den Wunsch, die Kirche hätte einen Heilungsauftrag. Doch immer muss Jesu Wort gelten: „Nicht, was ich will, sondern, was Du willst“ (463).

Das Buch klingt aus mit Bachs Predigt bei seiner Verabschiedung 1996, in der er eine Gemeinde, in der behinderte Kinder Sitz und Stimme haben, als „Sonderschule Jesu“ beschreibt: „Hier sitzen die Professoren, die uns deutlich beibringen, was Evangelium […] ist“ (F. v. Bodelschwingh). Bach beschließt sein Buch mit einem Satz, der wohl als das Credo dieses lebenslangen Suchers nach dem Sinn der eigenen Behinderung zu begreifen ist: „Jesus Christus wurde uns allen in gleicher Gültigkeit Bruder und Freund; darum ist keiner von uns wichtiger als der Schwächste von uns“ (495).

Rolf Zerfaß

Buchbericht Dörte Gebhard

Rissige Theologie
Bausteine einer Theologie nach Hadamar (Buchbericht)
Dörte Gebhard
in:
Pastoraltheologie,
97. Jahrgang, 144-153

dazu:

Ulrich Bach, Rönsahl am (07. bis) 22.06.08

Sehr geehrte, liebe Frau Gebhard!

Auch wenn meine Gedanken noch nicht sauber geordnet sind, will ich den vereinbarten Brief beginnen. Ich werde einfach Punkt für Punkt einige Dinge nennen.

Gefreut habe ich mich darüber, daß Sie die einzelnen Kapitel auch einzeln gelesen als sinnvoll bezeichnen. Das nimmt manchem hoffentlich die Angst vor dem dicken Buch.

1) Interessant fand ich zunächst Ihr Spielen mit dem Wort „Riß“. Nach und nach kommen mir aber Bedenken. Für mich bezeichnet der Riß ein Faktum, das mir übergestülpt wurde. Ich war rein passiv, hatte mich mit dem Riß zu arrangieren. Wenn Sie nicht schreiben: Biographie mit Riß, sondern rissige Biographie, dann ist das doch wohl zweierlei. „Rissig“ heißt für mich soviel wie brüchig: Es kann zu einem Riß kommen oder auch zu vielen; die Nähe zu „darauf ist kein Verlass“ ist erheblich. Wenn Sie an anderer Stelle schreiben, ich risse aus meinen theologischen Elternhäusern aus, oder ich zerrisse die Nähe von Jesu Predigen und Heilen, dann hat das mit dem ursprünglichen Riß nicht oder nur wenig zu tun; oder wollen Sie das überhaupt nicht andeuten?

2) Die zweite Hälfte Ihrer Text-Seite 146 „hat es in sich“, wenn ich das mal so sagen darf. Ihr Nein zu einer kalten Uniformität ist deutlicher als die von Ihnen gemeinte Position. Die „unvergleichlich verschiedenen Gottesbilder“ sehen Sie offensichtlich als Reichtum. Zu meinen ältesten theologischen Grundthesen gehört die Forderung, in Diakonie und Kirche sauber zu entscheiden, ob unser Denken von Baal oder von Jahwe herkommt (nach E.Käsemann), etwa: „Sage mir, wie du von Gott redest und ich sage dir, wie deine Diakonie aussieht“ (so in einem Text, um den mich der Weltrat der Kirchen, Genf, bat; abgedruckt in „Boden unter den Füßen hat keiner“, S.193-218, Zitat: S. 196). Die gleiche Unterscheidung schimmert in meinem Buch von 2006 mehrfach durch. Wer sich in der Käsemann’schen Alternative „Baal oder Jahwe“ für Jahwe entscheidet, geht damit ein Risiko ein. Der Rückenwind gebende Wünsche–Erfüller Baal hat bei uns Menschen die „besseren Karten“. Bei Jahwe leidet die „Quote“. Vor wenigen Wochen „erfand“ ich diese Ausdrücke: Quoten–Kirche, Quoten–Theologie und Quoten-Diakonie und denke dabei an Micha 2,11: „Wenn ich ein Irrgeist wäre und ein Lügenprediger und predigte, wie sie saufen und schwelgen sollen – das wäre ein Prediger für dies Volk!“. Wie wir heutzutage auch in der Kirche wie Politik und Fernsehen nach Umfragen und Quoten–Zahlen schielen, verbittert mich geradezu. Die dritte Versuchung Jesu (nach Matthäus) darf man gewiß als Jesu Kontra gegen das Angebot eines unschlagbaren Quoten–Plazes interpretieren („das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest“). Vor Jahrzehnten beklatschten wir den Mut derer, die sich zu DDR-Zeiten weigerten, sich den östlichen Ideologien anzupassen. Sind die damaligen Sätze seit 1990 aktuell nur noch zur Pflege unserer gelegentlich wach werdenden kirchlichen Helden-Gedenktags-Anwandlungen, oder benennen sie eine Gefahr, die in für die Kirche ruhigen Zeiten vielleicht größer ist als damals? Ich denke da an zwei Sätze, die der Magdeburger Bischof Werner Krusche 1979 sagte: „Eine Kirche, die unbedingt überleben will, hat sich überlebt“, und: „Eine Kirche, die es mit keinem verderben will, ist durch und durch verdorben.“ – Jedenfalls behaupte ich, daß es in Kirche, Diakonie und Theologie auch Gottesbilder gibt, die schädlich sind; dabei denke ich beispielsweise an die Ideologie der Berufsbildungswerke. Der starke und alles Schwache stärken wollende Gott soll helfen, daß der schwerbehinderte Mensch in unserem Wirtschaftsleben konkurrenzfähig wird. Wenn jemand diesem Anspruch nicht genügen kann, muß er vorzeitig seine Koffer packen, und die anderen sagen: Den ham`se totgeschrieben (Vgl. S. 57).  Die Scheu dieser jungen Leute, in die Häuser der Schwerstbehinderten zu gehen oder mit ihnen gemeinsam Unternehmungen zu starten, ist sehr ausgeprägt; bei den Mitarbeitern ist es zuweilen ganz ähnlich (deutlich: Spaltung durch ein unbiblisches Gottesbild). Meine These, die ich, ohne die These deutlich schon zu formulieren, in meinem Kapitel 3 breit erkläre, kann so lauten: Ein Gottesbild, das in Kirche und Theologie gelebt und gepflegt würde, das es aber ermöglicht oder gar fördert, die in irgendeinem Sinne besonders Schwachen diskriminierend zu übersehen oder auszusondern, ein Gottesbild also, das am Horizont die Konturen von Hadamar erkennen läßt, darf in der Nachfolge Jesu niemals als legitim gelten. In der Titelfrage des 3. Kapitels darf / muß das Fragezeichen gestrichen werden; in der Spur Jesu gilt tatsächlich: Keinerlei Grenzen nach unten! So verstehen Sie bitte mein Bemühen um eine saubere reformatorische Theologie, in der ja ein Spielen mit mehreren Gottesbildern völlig undenkbar ist.

3) Das Beispiel der „Ideologie der Berufsbildungswerke“ führt direkt zu zentralen Fragen und Aussagen meines Buches: Sind wir unterwegs zu den Schwächsten, „nicht nur um zu helfen, sondern um hier (!) Theologie (!) zu lernen (!)“? (S. 92). Realisieren wir den mehrfach im Buch zitierten Impuls aus Nairobi: Wie kann die Kirche sich öffnen für die Jesus-Botschaft behinderter Menschen (S. 149)? Von einer Tagung in Lunteren berichte ich Seite 73 f: Leichter Behinderte widersprachen kräftig meiner These, Behinderung gehöre in die gute Schöpfung Gottes; Menschen aber die selber schwerstbehindert waren oder beruflich Erfahrungen mit Schwerstbehinderten hatten, stimmten erleichtert zu. Oder ich denke an eine Studentin die während einer Seminarsitzung uns sehr offen von ihrer kaum sichtbaren Behinderung erzählte und davon, daß ihr ein Pfarrer gesagt hatte, sie dürfe nicht mit Gott hadern, sondern müsse ihm dankbar dafür sein, daß es sie nicht schwerer getroffen hatte (S. 147–149); spannend wurde es dadurch, daß sie uns sagte, Gott sei vielleicht gerecht, aber diese Gerechtigkeit könne sie absolut nicht verstehen. Wir erkannten die beiden Möglichkeiten, das zwar zu respektieren, aber für uns keineswegs zu übernehmen (damit käme es zu einer Art Zwei- Klassen–Theologie), oder aber ihren Satz auch für uns persönlich zu übernehmen (wir können ja auch nicht verstehen, warum wir ohne die selbe Behinderung leben dürfen). Auf der ganzen Linie ist eine Bewegung zu fordern, die Ursula Adams „Karriere nach unten“ nennt (so betitelte sie 1979 einen Aufsatz in: Geist und Leben, 52, S. 201ff), und die von Bodelschwingh dazu führte, die Schwerstbehinderten „unsere Professoren“ zu nennen (S. 92). – Nebenbei gesagt: Diese Bewegung bezieht sich nicht nur auf die Theologie, sondern bezieht anderes mit ein. Zwei Alltags-Beispiele: In einem Mitarbeitergespräch erklärte ein Arzt den Unterschied zwischen behindert und krank und sprach mich unmittelbar an: Sie würden doch (außer im Fall einer Grippe) niemals sagen, Sie seien krank. Ich weiß meine Antwort nicht mehr, spüre aber noch deutlich die mir plötzlich bewußt werdende Zweischneidigkeit dieser Frage. Setze ich mich nicht, wenn ich „natürlich nicht“ antworte, von den vielen auch in Volmarstein lebenden Muskelkranken ab, zu deren Behinderung es gehört, dass ihre Behinderung sie unaufhaltsam schwächer werden läßt: Ganz so schwer wie ihr bin ich ja nicht behindert, denn ihr seit ja auch krank? Oder: Einige Jahre widersprach ich heftig, wenn jemand sagte, ich sei an den Rollstuhl gefesselt (vgl. Bach Boden, S. 21); bis ich dann spastisch gelähmte Menschen erlebte, deren Spasmen in den Beinen so heftig sind, daß ihre  Beine mit Lederriemen am Rollstuhl fixiert werden müssen. Seitdem protestiere ich kaum noch gegen das Wort gefesselt.

4) Zunächst sträubte ich mich gegen ein Gefühl, das eine Passage Ihres Buchberichtes bei mir auslöst, aber es ließ sich nicht abwimmeln, der Schmerz nämlich über Ihre Darstellung meiner Markus-Exegese. Ich hatte mich bemüht, meinen tatsächlich zu einer aufregenden These führenden Gedankengang in kleinen Schritten dem Leser vorzulegen und zu erklären, hatte an einer besonders wichtigen Stelle eine selbstkritische Kontrolle eingebaut (ich denke an S. 419 ab Mitte und dazu an S.442 f), um wirklich sicherzugehen, daß ich hier nicht eigenen Gedanken freien Lauf lasse, sondern klar in der „Spur“ (so sage ich mehrfach) des Markus bleibe. Und bei Ihnen lese ich: „in einer sehr gewagten, weitreichenden Spekulation (…) malt sich der Theologe aus, wie Jesus… verzichtet hat.“ Liebe Frau Gebhard, das tut weh. Von da aus fiel mir auf, daß Ihr Eingehen auf meine Markus-Kapitel auch sonst spärlich und meist kritisch ist: Bach „zerreißt auch Jesu Predigtauftrag und Heilungsberichte, die nach Markus zusammenhängend berichtet werden“. Bin ich zu empfindlich, wenn ich hier einen Gegensatz Markus / Bach heraushöre? Jedenfalls scheinen Sie meinem (wie ich meine) Nachweis nicht folgen zu können, daß Markus selber „Predigtauftrag und Heilungsberichte“ sehr deutlich und scharf auseinander hält. Was könnte ich da „zerreißen“? Markus selbst hat beides sauber getrennt, und ich warne nur davor, beides wieder miteinander zu verrühren und sich dabei österliche Arzt-Bilder „auszumalen“, wie es heute oft geschieht (vgl. z.B. S. 432 zu Mk 1.31). Mich macht es schon neugierig, an welcher Stelle Sie meinen wiederholten Hinweisen auf diese Markus–Unterscheidung nicht mehr zustimmen können. Klar: Ihre Formulierung „Spekulation“ meint eindeutig die „Meditation“, also das Kapitel 19, aber offenbar sehen Sie auch das Kapitel 18 schon sehr kritisch; und hier fällt die für den Gesamtinhalt des Buches noch wichtigere Endscheidung: Weil Markus die Dämonenaustreibung als eine Weise der Predigt versteht (wie Sie ja S.151 auch zitieren) und die Heilungen davon absetzt, anders gesagt: Weil Markus den Kampf Jesu gegen das Böse auf sein Predigen (gegen Unglauben und falschen Glauben) und auf seine Exorzismen (gegen die bösen Geister) begrenzt und damit alle Kranken und Behinderten aus der Kampfarena befreit, darum vertritt Markus insgesamt die Gegenposition zu jeder Apartheids–Ideologie, die nicht auskommt, ohne Krankheiten als Teil des Bösen zu definieren.

(Kleiner Nachtrag zu „Spekulation“. Seit Jahren bin ich oft entsetzt über die Lässigkeit, mit der manche theologische Sätze zustande kommen. Kleines Indiz für meinen Zorn ist, was ich auf Seite 449 sage: „Tun wir doch nicht so, als seien uns“ biblische Texte „zur theologischen Plünderung freigegeben worden!“ Darum gehört es für mich zu den schmerzhaftesten Kritiken an meinen theologischen Äußerungen, wenn jetzt auch meine Sätze Spekulation genannt werden. Denn für mich ist klar: „Indem ich mich der Predigt der Evangelisten stelle, stelle ich mich dem verbindlichen (das heißt: dem ihn und mich zusammen–bindenden) Wort unseres Herrn“, so Seite 413).

5) Daß bei Ihnen meine Markus–Ausführungen recht knapp behandelt werden, könnte, wenn ich recht sehe, in einem größeren Zusammenhang stehen. Den Grund–Gegensatz, der sich durchs ganze Buch zieht, bilden die beiden Pole

6) Eine weniger wichtige Korrektur noch eben. Auf Seite 150 schreiben Sie, ich sei „unmittelbar nach [m]einer Krankheitserfahrung aus [m]einen theologischen Elternhäusern“ ausgerissen. Das passierte aber erst wesentlich später. Die ersten 10 Jahre im Rollstuhl gab es für mich viele Fragen der Frömmigkeit: Was kann ich beten, worauf kann ich hoffen, wie lange darf ich um Genesung bitten? Auch suchte meine Spiritualität weiterhelfende Bibelverse und Bilder, etwa „die Wüste“. Aber daß ich mich als Geschöpf Gottes, als gleichberechtigtes Gemeindeglied sah, war völlig selbstverständlich. Meine vier Bonner Semester studierte ich völlig „normal“ Theologie, mit einer kleinen Ausnahme: In einer Seminar–Sitzung sagte H.J. Iwand einen Satz (inhaltlich längst vergessen), bei dem mir sofort klar war: Wenn der richtig ist, war das, was ich in der Klinik den Kameraden gesagt habe (in Richtung: Wir brauchen Jesus), falsch. Nach Ende der Sitzung sprach ich Iwand an, er ging sehr freundlich auf meine Argumente ein, versuchte aber behutsam, mich auf die Gefahr hinzuweisen, daß wir Jesus als Quasi-Medikament anpreisen. Zehn Jahre nach meiner Erkrankung, bei meinem Dienstantritt in der Volmarsteiner Behinderteneinrichtung, ergaben sich dann theologische Fragen in Fülle (S.19–21). Die Hilfe, die ich plötzlich brauchte, suchte ich lange Jahre bei der Theologie, die ich im Bücherschrank hatte. Die ersten großen Fragezeichen an die Theologie ergaben sich in den siebziger Jahren, zunächst sehr vereinzelt, dann aber an mich erschreckend vielen Stellen. Das Ergebnis kennen Sie, haben dankenswerterweise ausführlich darüber berichtet. – Mag sein, ich habe selber für diese (gerade von mir kritisierte) Ungenauigkeit gesorgt. Zwar sage ich mehrfach, die durch meine Erkrankung aufbrechenden Fragen und Gedanken hätten erst recht langsam deutliche Formen angenommen (S. 18: damals „mehr Gefühl als These“; S.93: die Bonner Semester verliefen normal, das bisher eher Gefühlte meldete sich 1962 „um so dramatischer zu Wort“). Aber das zweite Kapitel, das ja ausdrücklich biographisch sein soll, ist da recht ungenau, indem ich unter der Überschrift „radikales Fragezeichen von 1952“ in systematischer Weise sozusagen fertige Früchte vorstelle. Mindestens die Überschrift hätte ich anders gestalten müssen, etwa: „Das langsam sich abzeichnende und Gestalt annehmende radikale Fragezeichen seit 1952“.

7) Lassen Sie mich noch eingehen auf Ihre Kritik an meinem Satz: Gott will, daß dieses Leben mein Leben ist. Dieser Satz löst auch bei anderen Lesern des Buches trotz meiner darin enthaltenen Versuche, Mißverständnisse auszuschließen, nach wie vor Kritik aus. Jetzt will ich mehrere Aspekte etwas ausführen:

  • Mein Satz will nicht als repressives Gesetz verstanden werden (das hieße: Gott will das so; du hast dich zu fügen), sondern als subversives Evangelium (laß dir nicht einreden, du seist weniger als die anderen; Gott könne nur mit intakten Geschöpfen etwas anfangen). (Vgl. im Buch von 2006 S, 169f; vgl. auch S. 54f u.ö.)
  • Die damalige Antwort will auch keinesfalls als allgemein gültiger, immer austeilbarer Satz verstanden werden, so als könne der Krankenseelsorger bei seinen Besuchen ihn von Bett zu Bett wie eine Tablette verabreichen. Vielmehr will er zunächst einmal den nichtbehinderten Leser (oder Hörer; bei der „Uraufführung“ war es ein österreichischer Offizier) anregen, ihn mit seiner eigenen Spiritualität ins Gespräch zu bringen: Was besagt eigentlich mein Glaube, ein Geschöpf Gottes zu sein, konkret: Bezieht sich dabei mein Glaube nur auf positive Dinge (gute Schulnoten, zufriedenstellender Arbeitsplatz, Begabungen); oder auch auf das negativ von mir Erlebte (daß der Kollege „besser“ ist als ich, daß ich meinen Kindern gegenüber oft wenig Geduld habe usw.)? (Vgl. S. 270).
  • Mein Satz degradiert Gott auch nicht zur Verstehens-Agentur für unsere Rätsel, und zwar in zweierlei Hinsicht:
    (a) Er redet von Gegenwart und Zukunft: Gott will, daß ich mein behindertes Leben mutig gestalte; ich sage nicht: Gott ‚wollte‘ (Vergangenheit), daß mich die Viren erwischten; diese Frage bleibt lebenslänglich ein Rätsel.
    (b) Der Satz behauptet auch nicht, für Gegenwart und Zukunft die Lösung der Kreuzworträtsel unseres Lebens zu sein. Der Satz lebt überhaupt nicht auf der Ebene von Frage, Antwort, Information und Wissen, sondern auf der Ebene von Zusage, Hören, Hoffen  und Vertrauen. In einem Exkurs zu meinem Urlaubssatz (Buch von 2006, S. 54f) zitiere ich Martin Luther, der auch im Blick auf verworrene Lebenssituationen dazu ermutigt, unseren väterlichen Gott am Werk zu sehen: „Wenn … dein Wesen ein Stand ist, der nicht an sich selber Sünde ist, selbst wenn du durch Sünde oder Torheit hineingekommen wärst…, so hat dirs gewiß Gott geschickt und bist in einem Wesen, das Gott gefällt“ (S. 55). Jedes Urteilen darüber, warum Gott mich in dieses „Wesen“ „geschickt“ hat, ist mir verwehrt. Ohne inhaltlich den göttlichen Willen genauer benennen zu können, darf ich darauf vertrauen, daß hier keine andere Macht meinem Schöpfer ins Handwerk gepfuscht hat: höre diese Zusage, vertraue darauf: Gott selber ist hier am Werk. – Genau entsprechend der dritten Vaterunser-Bitte überläßt mein Satz die inhaltliche Füllung (Perspektive des „Habens) des göttlichen Willens dem Schöpfer selbst. Wichtig allein ist das Vertrauen zu unserem himmlischen Vater (Perspektive des „Seins“): Dein Wille geschehe. Angesichts Ihres Textes, die letzten 16 Zeilen der Seite 152, sehe ich an dieser Stelle keinerlei Widerspruch zwischen uns.

Grundsätzlich, also auch bei jenem Urlaubs-Satz zu Anfang der siebziger Jahre, ist meine oft wiederholte These des einheitlichen theologischen Redens über behinderte und nicht behinderte Menschen mitzuhören. Diese These trieb ich in meinem Buch im Nachdenken über ein Zitat aus „Gott ist ein Freund des Lebens“ auf die Spitze (S. 108). Das dort entwickelte Bespiel möchte ich im Blick auf jenen alten Satz wiederholen: Wenn alle sagen, wir dürfen von Gott dem Schöpfer nicht so reden, daß jeder sich als persönlich so geschaffener Mensch glauben könnte, dann könnte ich zur Not auf meinen Satz verzichten, aber wirklich nur dann. Was auf jeden Fall ausgeschlossen bleiben muß, wäre die Möglichkeit, die für uns erfreulichen Tatbestände (Gesundheit, Arbeitsplatz usw.) auf Gott zurückzuführen, alles Negative aber nicht. (Solche Abspaltung des Negativen gehört zu unseren apartheids-theologischen Traditionen, vgl. S. 21f u.ö.) Wie selbstverständlich zum Bespiel jährlich das Erntedankfest zu feiern und bei Taufgottesdiensten Gott dafür zu danken, daß er Mutter und Kind bei der Geburt gnädig bewahrte, müßte zwingend die ebenso richtige Möglichkeit neben sich haben, als Behinderter zu sagen: Gott will, daß dieses Leben im Rollstuhl  mein Leben ist. Im Sinne der für alle Menschen einheitlichen theologischen Sätze werde ich weiterhin sagen, mein Satz sei verallgemeinerbar. Das aber nicht im Sinne eines Gesetzes, nach dem jeder diesen Satz ‚schlucken‘ müßte; andererseits ist der Satz aber auch kein Privat-Bekenntnis, das alle anderen nichts anginge. Vielmehr sehe ich in diesem Satz (a) ein Signal dafür, daß da jemand nicht schon beim dritten Sandkorn in der Sandale (vgl. S. 166) aufhört, sein Leben weiterhin unserem Schöpfer-Gott zu verdanken; und (b) eine Einladung (Frage, Aufforderung) an meine Mitchristen: wollt ihr nicht auch versuchen, etwa bei Verlusten (auch größeren Verlusten) mit Hiob daran festzuhalten: Gott hat nicht nur gegeben, er ist es auch, der es jetzt genommen hat, „der Name des Herrn sei gelobt“ (Hiob 1,21)

8) Eine „Macke“ bei mir kenne ich lange und weiß sie nicht abzustellen: Meine Äußerungen zu einem Text, der mich erfreut hat, an dem ich aber relativ kleine Punkte kritisch sehe, gestalte ich ungewollt so, als sähe ich nur zu Kritisierendes und (fast) nichts anderes. Darum will ich noch einmal betonen: Das „riesig gefreut“ meiner ersten sehr kurzen E-mail an Sie gilt nach wie vor. Ich finde es großartig, wie viel Zeit und Mühe Sie eingesetzt haben, um einer größeren Öffentlichkeit über mein Buch zu „berichten“. Sehen Sie bitte auch die kritischen Passagen meines Briefes als meinen Beitrag zum theologischen Gespräch.

Mit nochmaligen Dank und vielen guten Wünschen

Grüßt Sie    Ihr Ulrich Bach 

Rezension Robert Mette

Aus:
Diakonia. Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche.
38. Jahrgang, Heft 5, September 2007, S. 376f.

Ulrich Bach
Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz
Bausteine einer Theologie nach Hadamar
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2006
512 Seiten, Eur-D 34,90

Auf einer theologischen Bestsellerliste müsste dieses Buch von Ulrich Bach, einem seit seinem Studium vor nunmehr 55 Jahren auf den Rollstuhl und entsprechende Assistenz von anderen angewiesenen evangelischen Theologen, auf einem der obersten Plätze rangieren. Es ist ein Buch, in dem viele Erfahrungen, wie Bach sie sowohl am eigenen Leib als auch in seiner beruflichen Tätigkeit in der Evangelischen Stiftung Volmarstein gemacht hat, und theologische Reflexionen engstens miteinander verschränkt sind. Leidenschaftlich setzt der Autor sich dafür ein, dass die – wie er sie im Anschluss an das Evangelium nennt – „Schwächsten“ als vollwertige Subjekte in Kirche und Theologie und darüber hinaus in der Gesellschaft anerkannt werden. Das zeitigt enorme Konsequenzen bis in die theologische Reflexion hinein, läuft auf eine totale Umkehrung mancher geläufig gewordener Annahmen hinaus, z.B. dass Behindertsein als etwas angesehen wird, was in Gottes heiler Schöpfung eigentlich keinen Platz hat.
Bach wehrt sich allerdings dagegen, dass es so etwas wie eine Behinderten-Theologie geben sollte. Damit würde ein weiteres Mal Apartheid gefördert. Nein, er möchte eine Theologie, in der alle Menschen so, wie sie sind, vorkommen können. Programmatisch schreibt er: „Die Hauptthese einer ‚Theologie nach Hadamar‘ kann ich so formulieren: Ob ein Mensch Mann ist oder Frau, blind oder sehend, schwarz oder weiß, dynamisch-aktiv oder desorientiert-pflegeabhängig, ist theologisch (von Gott her, im Blick auf Heil oder Unheil) absolut ohne Bedeutung. Von Bedeutung ist allein, dass das alles ohne Bedeutung ist. Das allerdings ist von Bedeutung; denn es entscheidet darüber, ob wir noch ‚dem Alten‘ zugehören (wir alle, ich denke jetzt nicht etwas nur an die Ausgegrenzten, sondern besonders stark an die unbewusst und ungewollt Ausgrenzenden) oder ob es unter uns ’neue Kreatur‘ gibt: alle allzumal einer in Christus, die Familie Gottes, der Leib Christi, die Gemeinde als ‚Gegenwirklichkeit zur Apartheid‘.“ (S.26)

„Hadamar“ steht – „Auschwitz“ vergleichbar – für das Euthanasieprogramm der Nazis. Die Relektüren, die Bach in diesem Buch zu biblischen Texten und theologischen Konzepten vornimmt, sind im wahrsten Sinne des Wortes aufregend und erhellend. Das kann in einer Rezension gar nicht adäquat wiedergegeben werden. Deswegen kann nur mit Nachdruck die Lektüre dieses Buches empfohlen werden. Wer sich darauf einlässt, liest nicht nur etwas, sondern wird unweigerlich persönlich von den Gedanken Ulrich Bachs betroffen und in sie involviert.

Norbert Mette, Dortmund

Rezension Ralf Prange

Von RALF PRANGE – © Die Berliner Literaturkritik, 01.11.07
www.berlinerliteraturkritik.de

Denn selig sind auch die Kranken
Der Theologe Ulrich Bach über Krankheit und Christentum

Von RALF PRANGE – © Die Berliner Literaturkritik, 01.11.07

Was ist das – Theologie nach Hadamar? Ulrich Bach hat ein intensives Plädoyer vorgelegt, das die Frage nach Gesundheit und Heil in der Theologie neu stellt. Wie oft lesen bzw. hören wir in der Bibel von jesuanischen Heilungen – Lahme gehen, Blinde sehen und Stumme bekommen wieder eine Stimme. Tolle Erzählungen von großer Kraft und schönem Eindruck sind das, aber, so fragt Pfarrer Bach als langjähriger Leiter der Volmarsteiner Anstalten, wie sollen Menschen mit ihren Krankheiten, Schwächen und Behinderungen diese Heilungswunder verstehen? Sind sie, die nicht perfekt gesunden, die eingeschränkter leben Müssenden, also nicht von Gott gewollt, nicht Teil der guten Schöpfung? Hatten am Ende die Nazis doch recht mit der Vernichtung Kranker an Unorten wie dem genannten Hadamar.

Wie es eine Theologie nach Auschwitz geben muss, die sich von derjenigen vor diesem Grauen deutlich unterscheidet, so muss es auch eine neue Theologie nach Hadamar geben, und diese hilft allen in unserer Gemeinschaft, sich besser zu verstehen als Gesündere und Kränkere. Annehmen können von Krankheit und Behinderung gehört dann ebenso dazu wie die laute Klage, die Anklage an Gott ob dieses Schicksals.

Am meisten müssen alle diejenigen dazu lernen und in Bachs gewaltigem Werk lesen, die bisher die Verwandlung Kranker in Gesunde als natur- und gottgewollte Ordnung gesehen haben. Die Schwächsten in unserer Mitte, in der Kirche ebenso wie in der Gesellschaft überhaupt, werden mit den Gesunden zusammen leben müssen ebenso wie mit ihren Krankheiten. Sie werden realiter eben nicht morgen von Jesus getroffen und geheilt, und doch sind sie so in Ordnung, wie sie nun einmal ausgestattet sind. Und das durchzubuchstabieren ist eben mehr als schwer!

Ulrich Bach versucht es, auf fast 500 Seiten, immer wieder neu die Situationen des Lebens und die Texte der Bibel ins Gespräch bringend. Sein Buch ist dabei von verwirrender Verästelung in kleinste Details voll wie von großen Entwürfen. Ich konnte wunderbar darin schmökern, dann wieder konzentriert lesen, dann schmunzelnd blättern. Mich reizt diese Sammlung unterschiedlichster Aufsätze zum Thema zum ständig neuen Nachdenken und Infragestellen von Altbekanntem. Nicht zuletzt lassen sich auch hervorragende Predigten über die Heilungswunder des Neuen Testamentes aus der Lektüre und Bearbeitung des Buches entwerfen.

Eine neue Sicht, die vielen in unserer Gesellschaft, so habe ich es wahrgenommen, sehr gut tut. Endlich werden sie einmal ernst genommen und für voll erachtet mit allem, was krumm und stinkend ist an der eigenen Existenz. Was ist der Mensch? Diese Frage beantwortet Ulrich Bach nicht mit einem Hochglanzprospekt, sondern mit der scharfen Feder des genau hinsehenden und dabei eben nicht selbst urteilenden Verstands des ebenso klugen wie biblischen Theologen.

Bleibt mir als Rezensenten also nur, diesem gelungenen, Michael Schibilsky gewidmeten Werk fünf Sterne zu geben und ihm viele Leser und Leserinnen zu wünschen.

Ralf Prange ist Vikar in Berlin und schreibt als freier Autor für dieses Literatur-Magazin.

Literaturangaben:
BACH, ULRICH: Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz. Bausteine einer Theologie nach Hadamar. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2006. 512 S., 34,90 €.