Rezension Robert Mette

Aus:
Diakonia. Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche.
38. Jahrgang, Heft 5, September 2007, S. 376f.

Ulrich Bach
Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz
Bausteine einer Theologie nach Hadamar
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2006
512 Seiten, Eur-D 34,90

Auf einer theologischen Bestsellerliste müsste dieses Buch von Ulrich Bach, einem seit seinem Studium vor nunmehr 55 Jahren auf den Rollstuhl und entsprechende Assistenz von anderen angewiesenen evangelischen Theologen, auf einem der obersten Plätze rangieren. Es ist ein Buch, in dem viele Erfahrungen, wie Bach sie sowohl am eigenen Leib als auch in seiner beruflichen Tätigkeit in der Evangelischen Stiftung Volmarstein gemacht hat, und theologische Reflexionen engstens miteinander verschränkt sind. Leidenschaftlich setzt der Autor sich dafür ein, dass die – wie er sie im Anschluss an das Evangelium nennt – „Schwächsten“ als vollwertige Subjekte in Kirche und Theologie und darüber hinaus in der Gesellschaft anerkannt werden. Das zeitigt enorme Konsequenzen bis in die theologische Reflexion hinein, läuft auf eine totale Umkehrung mancher geläufig gewordener Annahmen hinaus, z.B. dass Behindertsein als etwas angesehen wird, was in Gottes heiler Schöpfung eigentlich keinen Platz hat.
Bach wehrt sich allerdings dagegen, dass es so etwas wie eine Behinderten-Theologie geben sollte. Damit würde ein weiteres Mal Apartheid gefördert. Nein, er möchte eine Theologie, in der alle Menschen so, wie sie sind, vorkommen können. Programmatisch schreibt er: „Die Hauptthese einer ‚Theologie nach Hadamar‘ kann ich so formulieren: Ob ein Mensch Mann ist oder Frau, blind oder sehend, schwarz oder weiß, dynamisch-aktiv oder desorientiert-pflegeabhängig, ist theologisch (von Gott her, im Blick auf Heil oder Unheil) absolut ohne Bedeutung. Von Bedeutung ist allein, dass das alles ohne Bedeutung ist. Das allerdings ist von Bedeutung; denn es entscheidet darüber, ob wir noch ‚dem Alten‘ zugehören (wir alle, ich denke jetzt nicht etwas nur an die Ausgegrenzten, sondern besonders stark an die unbewusst und ungewollt Ausgrenzenden) oder ob es unter uns ’neue Kreatur‘ gibt: alle allzumal einer in Christus, die Familie Gottes, der Leib Christi, die Gemeinde als ‚Gegenwirklichkeit zur Apartheid‘.“ (S.26)

„Hadamar“ steht – „Auschwitz“ vergleichbar – für das Euthanasieprogramm der Nazis. Die Relektüren, die Bach in diesem Buch zu biblischen Texten und theologischen Konzepten vornimmt, sind im wahrsten Sinne des Wortes aufregend und erhellend. Das kann in einer Rezension gar nicht adäquat wiedergegeben werden. Deswegen kann nur mit Nachdruck die Lektüre dieses Buches empfohlen werden. Wer sich darauf einlässt, liest nicht nur etwas, sondern wird unweigerlich persönlich von den Gedanken Ulrich Bachs betroffen und in sie involviert.

Norbert Mette, Dortmund